Reflexionen über Autobiographisches

Zurück zum Thema der Überschrift: In der Geschichte der Zivilisation spielten Glaubensfragen und Ideologien sehr lange eine prägende Rolle. Ich teile aber nicht die Ansicht, die sich nach der Aufklärung und dann in der Folge einer falsch verstanden Dekonstruktions-Mode gebildet hat, das die beiden genannten Motive keine Rolle mehr zu spielen haben sollten. Einerseits war die Aufklärung überwiegend damit beschäftigt, einen oberflächlichen Aberglauben zu beseitigen, andererseits bin ich der Ansicht, das man heute weite Teile der Dekonstruktion (nach Derida, Voucault) 1, die ja die Grundlage der Postmoderne darstellt, falsch verstanden hat. Dieses besteht in meiner Sichtweise in der Tatsache, das sich gerade bei den Eliten der westlichen Gesellschaft (Politik, Medien, Manager) ein „Pippi-Langstrumpf-Denken“ breitgemacht hat, das Konjunktiv und Realität oftmals nicht mehr unterscheidet. Ich persönlich halte es für wichtig, das der gesellschaftlich aktive Mensch sich selbst zu einer Weltsicht bekennt und durchaus Grund hat, auch über die Sinnhaftigkeit des Lebens nachzudenken. Glauben und Wissen sind heute in einer seltsamen Mischung ineinander verzahnt und nur noch wenige Menschen in Deutschland trennen diese Motive voneinander. Bei Glauben kann man unterscheiden zwischen Religion, Ideologie, Weltsicht, Wissenschaft und Narrativen. Da keine der Genannten auf absolutem Wissen beruht, unterliegen sie Setzungen. Sie alle verherrlichen entweder Gott, Götter, Menschen, Konzepte und Regeln, auf die sich Gruppen von Menschen geeinigt haben, um zusammen leben zu können. Mir persönlich war es stets ein Rätsel, wie zum Beispiel der Inhalt eines Buches über viele Jahre hinweg zu einer Offenbarung werden kann, wenn es doch Dutzende solcher Schriften gibt, die sich aller Regel nach immer widersprechen und die sich in der Summe absolut nicht auf eine Linie bringen lassen. Ein weiteres Rätsel meinerseits liegt in der Neigung, ausgesuchte Menschen wie Götter zu verehren (Groupies, Anhänger, Guru-Schüler) und diesen einen Zugang zu einer wie immer gearteten Wahrheit zuzuschreiben. Woher kann ich denn die Sicherheit nehmen, das meine Auswahl richtig ist? Da ich keine Vorlage haben kann, die des Vertrauens sich als würdig erweist, bin ich doch stets gezwungen, mir selbst eine Richtlinie zu erschaffen. Diese muss abgeglichen sein mit der Umgebung, in der ich mein Leben leben möchte. Abgeglichen heißt aber nicht, das ich den ganzen Schriftsatz, den ganzen Aussagen-Salat, der die Ausrichtung der Gesellschaft bestimmt, auch für mich gültig sein muss. Nur in gesellschaftlichen relevanten Motiven muss ich Regeln befolgen. Beispiele dafür sind die Verkehrsregeln, die Streit zu vermeiden suchen und natürlich die strafbewehrten Gesetze, die sich die Gesellschaft gegeben hat. Was allerdings gesetzlich nicht geregelt ist, steht mir frei zu tun, zu denken und zu leben. Zumindest halte ich das für den Grundsatz eines Rechtsstaates, der Deutschland ja sein will. Ich darf einer der Allgemeinheit abweichenden Ansicht sein, darf diese Ansicht kommunizieren und mein Leben so gestalten, wie es mir gefällt. Was ich nicht darf ist einzig und allein, nicht gegen Gesetze zu verstoßen, auch wenn mir diese mal nicht zusagen sollten. Die sprichwörtliche Sitte, also die ehemals geliebte Ehre, die rechte Gesinnung, die gültige Ideologie und dergleichen sind/sollten dabei ohne Bedeutung sein. Kurz gesagt ist einer meiner Grundsätze, nicht gegen Gesetze zu verstoßen. Das sorgt gewöhnlich für einen ruhigen Schlaf und erzeugt wenig Ablenkung. Das zumindest ist eine meiner Grundeinstellungen.

  1. Das Wort Dekonstruktion (vgl. französisch déconstruction ‚Zerlegung, Abbau‘; ein Portmanteauwort aus „Destruktion“ und „Konstruktion“) bezeichnet eine Reihe von Strömungen in Philosophie, Philologie und Werkinterpretation seit den 1960er-Jahren. Dekonstruktivisten bemühen sich um den Nachweis, dass – und vor allem: wie – ein Text seine Bedeutung selbst hinterfragt, durchkreuzt und gerade mit solchen Paradoxien Sinn schafft, z. B. durch Widersprüche zwischen inhaltlicher Aussage und sprachlicher Form. Die Methode der Dekonstruktion ist ein kritisches Hinterfragen und Auflösen eines Textes im weiteren Sinn. Wikipedia.org
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