Das Ringen um Freiheit

Das wir in der europäischen Kultur um ein Gut ringen, das wir salopp „Freiheit“ nennen, ist allgemeines Wissensgut und anerkannt. Wissen wir aber auch, was Freiheit eigentlich bedeutet? Ich denke: Nein. Beginnen wir daher einmal damit, was wir heute, 2023, mit dem Begriff der Freiheit verbinden. Da wird jedem, der gefragt würde, zunächst einmal die Staatsform der Demokratie einfallen.

Dann ginge es weiter mit Besitzrechten, die wir nicht missen möchten, ginge weiter mit der Freiheit, eine eigene Meinung besitzen und äußern zu dürfen, ginge weiter mit Versammlungsfreiheit, der Einbettung in Schutzsysteme wie zum Beispiel für Gesundheit, gegen Armut und Hunger, gegen Gewalt und Terror, gegen Krieg und Machtwillkür, für eine funktionierende Versorgung mit Lebensgütern, eingebettet in ein gerechtes Justizsystem und zuletzt aber noch nicht abschließend für die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit. Wie schon geschrieben, da könnten noch Seitenweise weitere Rechte und Wünsche folgen. Und jeder, der sich mit der oben gestellten Frage beschäftigt hat, wird dann mehr oder weniger einen Vergleich starten, mit dem er/sie auszusagen versucht, wie viel davon seiner Meinung nach verwirklicht ist und welcher Staat, welches Volk oder welche gesellschaftlichen Gruppen die noch offenen Motive verwirklicht hat oder dieses ohne Schwierigkeiten könnte.

Ja, genau so würde es wohl ablaufen, denke ich mal. Aber ist das auf diese Weise abgebildet und diskutiert überhaupt sinnvoll. Ist es sinnvoll, die Freiheit, also die eine absolute Freiheit in verschiedenste Unterbegriffe aufzuteilen (Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Bildungsfreiheit, Gesinnungsfreiheit usw.), oder wirkt dieses Verfahren nicht schon in zersetzender Weise gegen den Begriff, den ich zu klären suche? Und ist es der Freiheit zuträglich, wenn ich die Freiheit deutscher Gesinnung mit der anderer Kulturen vergleiche und Schlüsse daraus ziehe? Häufig vergleichen wir dabei nämlich Äpfel mit Möhren, beides zwar Lebensmittel, aber auch vollkommen verschieden. War es nicht einmal üblich, jedem Volk und jeder Kultur die Freiheit zuzugestehen, die dem Interesse einer Weltgemeinschaft nicht direkt widerspricht? Freiheit in China, Amerika, Russland und Deutschland kann doch gar nicht gleich ausgeprägt sein, weil diese Nationen jeweils über kulturelle Setzungen verfügen, die nicht miteinander kompatibel sind. Ist hier im weltweiten Zusammenspiel nicht vielmehr die moderne Toleranz deutlich mehr gefragt, was ja nicht gut, gesittet oder vernünftig, sondern zu ertragen, zu erdulden und zu erleiden bedeutet.

Beginnen wir daher zunächst, den Begriff einzugrenzen, und zwar nicht, in dem ich für ihn einen Rahmen setze, sondern ihn betrachte in seiner Einordnung in Gegensätze. Was ist also das Gegenteil, der Antagonismus der Freiheit? Nun, „Un-Freiheit“ bietet sich an, aber ist kein wirklich guter Begriff, um das umzusetzen. Er fällt also aus. Gleiches gilt für die Verneinung mit „Nicht-Freiheit“ und „Anti-Freiheit“. Um eine Verneinung setzen zu können, müssen wir zunächst das zu Verneinende genau definieren. Wenn ich also sage, „Menschen in Xyz leben in Unfreiheit“, dann ist das im Grunde eine nichtssagende Äußerung. Wenn wir so vorbereitet durch die Schubladen gehen, in der Freiheit normalerweise einsortiert ist, kommen wir zu sehr unterschiedlichen Motiven, die davon abhängen, was ich zum Beispiel politisch, gesellschaftlich oder system-beschreibend als „frei“ definiere. Ich könnte also sagen, alle in einer „Demokratie“ lebenden Menschen leben in Freiheit. Nur, es gibt ja auch viele Menschen, die sich durchaus frei fühlen, die in einer Monarchie, Oligarchie oder sogar Diktatur leben. Wie gehe ich mit solch einer Erkenntnis dann um? Weiterführend könnte ich auch der Ansicht sein, das ein Leben in unmittelbarer Bedrohung durch Hunger, Krieg und/oder Naturhärten ebenfalls nicht frei genannt werden kann. Die Frage aber bleibt offen, ob das auch wirklich stimmt. Viele Menschen in von Europa fernen Ländern sind arm und ständig bedroht von Hunger oder Naturphänomenen, sind aber trotzdem glücklich und würden sich, so sie denn den Begriff „Freiheit“ überhaupt kennen, wohl doch als frei lebend bezeichnen. Wenn wir uns also mit Freiheit beschäftigen, müssen wir wohl oder übel eine allgemein gültige Definition liefern, was wir eigentlich meinen. Nun gibt es diese Form einer Definition bisher nicht, denn alle bisherigen Versuche dergestalt wurden ausschließlich auf der Basis der europäischen Philosophie errichtet. Europa, oder besser geschrieben europäisches Denken, wir erinnern uns, findet sich aber nur in etwa 10% der Weltbevölkerung (USA, EU, Australien, Neuseeland). Weitere Länder der Welt halten sich in einer nur teilweise von europäischem Gedankengut durchdrungenen Kultur auf und andere wie zum Beispiel die Kulturnation China früherer Zeiten hatte für seine Weltsicht, Kultur und Ordnung ein ganz anderes Grundlagengebäude errichtet und/oder kennt den Begriff der einen Freiheit gar nicht. Sehr viel häufiger ist dort in der nicht westlichen Welt der Begriff der „Weisheit“ anzutreffen, auf den sich viele Kulturen gründen und berufen. Es ist also nicht sinnvoll, weil nicht umfassend, eine allgemein gültige Definition auf der Basis der europäisch geprägten Philosophie zu suchen, die für alle Völker gleich gültig ist.

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