Eine EINSICHT fürs 70te Lebensjahr

An einen Wochenende des Allein-Seins, meine Partnerin war am Wochenende nicht zu Hause, bemerkte ich zum ich weiß nicht zum wievielten Mal schon, aber selten so deutlich, das das Leben, so wie ich es führte und es gewohnt war zu leben, nicht so ausgeglichen und frei war, wie ich es mir dachte. 1 Und das hatte wohl mit der Gewohnheit zu tun, feste immer wiederkehrende Tätigkeiten auszuführen. Das geht vom Aufstehen zur gewohnten Zeit, der Einnahme meines Morgenkaffees verbunden mit der Lektüre der aktuellen Nachrichten und den darauf folgenden vier Meditationsrunden. Das Vormittagsprogramm erstreckt sich somit über ca. 5 Stunden. Danach beginnt das Warten auf die Mittagspause meiner Partnerin aus dem Home-Office 2, um gemeinsam das Mittagessen einzunehmen. Wenn sie dann wieder ihren Arbeitsplatz zu Hause aufsucht, beginnt der kleine immer wiederkehrende Anteil an Hausarbeit. Beginnend mit Ab- und Aufräumen der Reste der Mittagspause, der Müllentsorgung und der Aufgabe, leere Wasserflaschen in den Keller und gefüllte Flaschen mit nach oben zu bringen. Ab und an ist dann meine Wäschetonne voll und Waschen und Aufhängen ist angesagt. Hier und da sind dann noch Besorgungen zu machen, um Kühlschrank und Vorratskeller auf dem Stand zu halten. Das alles ist eingebettet in einen dichten Terminkalender, der durch meine Nebentätigkeit des Unterrichtens von Yoga und Gymnastik gestaltet ist. Das ist das einzige Element, das den bereits genannten Zeitplan zu konterkarieren vermag. An einem Wochentag verbringe in den Vormittag in der Turnhalle, An vier Tagen bin ich am frühen Abend für Unterricht unterwegs, dazu kommen ein Massagetermin, Amts- und von Zeit zu Zeit auch Arzttermine. Dazu gibt es kleinere feste Termine, darunter zwei Vormittage für die monatlich zweimalige Seniorenwerkstatt und hier und da eine Stunde mit Einzelunterricht. Und natürlich kommen für mich Zeiten des Lesens dazu, wobei Sachbücher über Politik, Philosophie und Meditation das Gros stellen. Die Reste der Abende verbringen meine Partnerin und ich dann gemeinsam. Irgendwann so gegen Mitternacht ist dann Bettruhe angesagt, und am morgen beginnt der Trott von Neuem. Nun gut, das klingt nach einem gut ausgefüllten Leben, ist es gefühlt aber nicht, oder…? Das ist die Frage, die es zu beantworten gilt.

Warum kommt diese Frage auf? Nun, für die Zeiten des Unterrichts ist die Rolle des Übungsleiters vorherrschend. Nach vielen Jahren Übung in diesem Metier geht das mehr und mehr ohne großes Nachdenken und Planen-müssen vor sich. Das gilt auch für die Hausarbeiten, den Massagetermin und das Einkaufen. Überhaupt scheint außer den Urlaubsreisen so ziemlich alles in Routinen abzulaufen, selbst das Lesen macht da keine Ausnahme. Lediglich zwei oder drei Autoren stellen da eine Ausnahme, vermochten sie mich doch hier und da zu überraschen und mein Interesse zu wecken. Doch auch deren Bücher sind bald aufgebraucht. Unterhaltungen mit Mitmenschen, die meist am Rande meiner Aktivität auftreten, sind meist sehr spärlich und regen mich selten an, da sie immerzu die gleichen Themen und Problemstellungen beinhalten, Problemstellungen besonders, die sich bei den gleichen Menschen immerzu wiederholen, im Kreise zu drehen scheinen und selten als zielführend sich ausweisen. Die sprichwörtlichen 50 Floskeln, die eine Unterhaltung im Alltag oft zu beherbergen scheinen, beschreiben das meist ausreichend und werden zu meiner immer wiederkehrenden Überraschung von vielen sogar wohlwollend verwendet und aufgenommen. Manche davon verstehe ich zwar nicht, aber so scheint es wohl üblich zu sein. Nun gibt es sicherlich Ausnahmen, aber die sind eher eine Ausnahme als die Regel.

Meine Zeilen bis hier scheinen aufzuzeigen, das meine große Frage mit dem Wort „Langeweile“ durchaus gut beschrieben werden könnte. Vieles von dem, was mich alltäglich erreicht, ist so gewohnt und oft sogar so selbstverständlich, das Denken oder Planen gar nicht notwendig wird. Die Reaktionen erfolgen automatisch und mehr oder weniger ohne mein Zutun. Es bleibt immer weniger hängen, füllt keine der von mir ersehnten Zeiten der Nachdenklichkeit. Lediglich wenn hausintern größere Reparaturen anstehen, wenn Neuanschaffungen notwendig und dazu Recherchen und Besorgungen gemacht werden müssen, ist die Zeit in meiner Wahrnehmung kurz mit Sinn erfüllt. Aber auch diese sind meist begrenzt und nach und nach fallen immer weniger davon an. Mittlerweile halte ich die Erledigung von Aufgaben sogar in der Schwebe, weil nach deren Ende sich die Zeit wieder nicht mehr so recht zufriedenstellend zu füllen vermag. Soweit der Alltag.

  1. Für die, die mich nicht kennen: Ich vollende gerade das sechste Jahr meiner Verrentung, habe gerade mein 70. Lebensjahr angefangen und verfüge über ein ausreichendes (?) bedingungsloses Einkommen namens Rente, für das ich 50 Jahre lang eingezahlt habe.
  2. Neudeutsch für: Zu hause arbeiten…
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