Fragen, Freiheit und Lebensabend

Wie wir bisher sehen konnten kreisen die Fragen nach dem Grund und der Gestaltung eines Lebens immer um die gleichen Punkte, und wie immer die Fragen auch umgestaltet werden, die möglichen Antworten handeln von sich wiederholenden Motiven:

  • Meine Antworten können immer nur relativ gestaltet sein, benötigen eine Rahmensetzung
  • Solche Rahmen werden Weltbild, Religion oder Kultur genannt. Sie regeln das Zusammenspiel einzelner Wesen.
  • Wichtig erscheint einzig die Weiterführung der lebendigen Welt, die zurzeit nur auf diesem Planeten bestehen kann.
  • Wir haben auf jeden Fall eine Aufgabe.

In den grundlegenden Fragen gibt es nicht Gerechtigkeit, nicht definierte Besitzstände, nicht Macht, nicht Status und nicht Notwendigkeit. Was wir leicht erkennen können ist die übermächtige Wirksamkeit der fortgesetzten Relativität aller Annahmen und die Notwendigkeit, sich für seine Person zu entscheiden. Was wichtig wird, ist in welchem Rahmen ich leben möchte: selbstbestimmt oder aus einer Nicht-Entscheidung heraus, indem ich fraglos akzeptiere, was gerade so ist. Letzteres bedeutet, in eine Kultur und Religion hineingeboren zu sein, dort ein durch geregeltes Leben zu leben ohne Wenn und Aber, ohne Fragen und … ohne Unsicherheit, denn genau diese Sicherheit ist ja der Kern jeder kulturellen Anbindung. Seltsam für mich ist, dass die meisten Menschen die letztgenannte Möglichkeit wählen. Wenn ich so in die Runde meiner Gespräche schaue geht es überwiegend um Status (wie denken andere über mich, und ich über andere), geht es um die Bewältigung des Alltags in einer Kultureinbettung, die nicht hinterfragt wird, geht es um Gerechtigkeit (andere haben etwas, was mir vorenthalten wird…), geht es um Besitz (Haus, Familie, Boot, Besitz) und nicht zuletzt um Macht (wer bestimmt, was jetzt und morgen Alltag ist und wird). Wie aber sollen Antworten oder Möglichkeiten von Antworten zu Fragen gefunden werden können, wenn die Basis, der Hintergrund und das Fundament nicht ausgeleuchtet wurden. Und daher möchte ich jetzt eine weitere grundlegende Frage einfügen, die aufgrund der letzten Zeilen doch unabkömmlich zu sein scheint: Sind die Rahmen und Rahmenentscheidungen, die ich einmal getroffen habe, über ein ganzes Leben gültig, und muss ich nicht, zumindest wenn ein neuer Abschnitt des Lebens bevorsteht (Entscheidung für Familie, für ein anderes Umfeld, für einen Ruhestand), diese nicht von Grund auf neu zu setzen? Und muss ich vor allen anderen Fragen nicht dabei wieder mit der allerersten Frage 1 beginnen.

Geht es mir und anderen weiterhin gut mit meinen Entscheidungen?
Für die neue Frage, die hier etwas knapper formuliert ist, benötige ich neue Kriterien der Beurteilung, neue Hilfestellungen und Karten, die aus dem Dickicht führen helfen. Anders ausgedrückt, müssen zu den Kriterien, die ich bisher zugrunde gelegt habe, neue hinzukommen, um die alten Rahmen und Entscheidungen überprüfen zu können und erweiternd, um neue Inhalte überhaupt auffinden zu können? Was könnten das für Kriterien sein?
Doch betrachten wir zunächst einmal ein paar mögliche Lebensabschnitte, die andere oder spezielle Rahmenentscheidungen benötigen. Als Kind sind wir, wenn es gut läuft, von Eltern umsorgt, deren Augenmerk darauf gerichtet ist, uns das nötige Werkzeug in die Hand zu geben, mit dem ein Leben gestartet werden kann. Dann kommt die Zeit des Lernens, in der ich die Fähigkeit entwickle, in der mich umgebenden Welt zurechtzukommen und zu bestehen. Dann gründe ich eine Familie und erziehe und bilde den Nachwuchs aus, der die Aufgabe der Sicherung der Art konsequent verfolgt. Parallel dazu schaffe ich für mein Leben die Sicherheiten, die ich brauche, um gestaltend weiterzugehen und alt werden zu können. Und dann kommt der letzte Abschnitt, der Ruhestand. Wenn es gut läuft, sollte spätestens dann alles getan sein und das Leben sollte frei werden dürfen, denn die Aufgaben sind erfüllt, die Notwendigkeiten sind erledigt und die Sicherheiten sind gegeben. Muss der neue Lebensabschnitt, das sei zu bedenken, nicht aus diesem Grunde schon auf neue Fundamente, neue Rahmen gesetzt werden? Und welche Kriterien helfen bei der Neuausrichtung?

  1. Wer bin ich oder spekulativ: wer will ich sein?
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