Was stimmt nicht mit unserer Gesellschaft?

Was stimmt nicht mit unserer Gesellschaft?

Haben Sie die Frage der Überschrift jemals ernsthaft gestellt? Ist Ihre Antwort: Ja? Schon? Aber ich habe nicht soviel Zeit, mich zu informieren oder selbst nachzuforschen. Außerdem ist dieses Thema doch zutiefst frustrierend und würde meine Arbeit-Leben-Ausgewogenheit (Work-Life-Balance) in Unordnung bringen. Oder wäre sie sogar so zu formulieren: Ich verstehe die Zusammenhänge einer Gesellschaft eigentlich nicht. Ich wurstele mich daher einfach so durch, versuche nicht unangenehm aufzufallen und begnüge mich darauf, meine Wahlzettel auszufüllen und meine Steuern zu bezahlen? Das, so würde ich urteilen, wenn ich eine Antwort geben müsste, wären zumindest ehrliche Antworten, die durchaus eine vernünftige Grundlage aufweisen. Bisher blieb mir eine solche Antwort erspart. Unvernünftig allerdings wäre es meiner Ansicht nach, die oben genannte Frage gar nicht gestellt oder deren Inhalt vielleicht sogar noch nicht einmal bemerkt zu haben.

Es gibt nur wenige Autoren, die das Gefüge unserer Gesellschaft sehr klar, ohne Umschweife und ohne Rücksicht auf irgendwas oder wen in ihren Werken beschreiben. Jiddu Krishnamurti ist einer von ihnen. Daher möchte ich meine Zeilen mit einem Zitat von ihm beginnen:

Zitat aus: Krishnamurti, Was ist es, nachdem du suchst? 1
Wir sind die Gesellschaft. Wir sind nicht unabhängig von ihr. Wir sind das Resultat unserer Umwelt, unserer Religion und Erziehung, unseres Klimas und unserer Ernährung, unserer Reaktionen und der unzähligen wiederholten Aktivitäten, die wir jeden Tag verrichten. Das ist unser Leben. Und die Gesellschaft, in der wir leben, ist Teil dieses Lebens. Die Gesellschaft besteht aus den Beziehungen zwischen den Menschen. Gesellschaft heißt Kooperation. Die Gesellschaft, wie sie ist, ist das Ergebnis von menschlicher Gier, Feindschaft, Ruhmsucht, Konkurrenz, Brutalität, Grausamkeit und Rücksichtslosigkeit, und wir leben in diesem Muster. Um es zu verstehen und zwar nicht nur intellektuell oder theoretisch, sondern wirklich, müssen wir mit dieser Tatsache direkt in Kontakt kommen: Dass nämlich der Mensch, das heißt Sie, das Resultat dieser sozialen Umwelt ist mit ihrem ökonomischen Druck, ihrer religiösen Erziehung und so weiter. Mit etwas direkt in Kontakt zu kommen, heißt nicht, es zu verbalisieren, sondern es gründlich anzusehen.

Die Aussagen dieses Mannes, der als „Einer der größten Denker unserer Zeit (Dalai Lama) bezeichnet wurde, ist ausgesprochen ernüchternd und lässt wenig Raum für Entschuldigungen, wie sie sehr oft bei Diskussionen oder Gesprächen zu hören sind. Was aber meint er damit, „… es gründlich anzusehen?“. Er spricht ja von den sozialen Ursachen, von denen wir seiner Ansicht nach maßgeblich geprägt werden (Gier, Feindschaft, Ruhmsucht, Konkurrenz, Brutalität, Grausamkeit und Rücksichtslosigkeit), die wir aber nicht wie gewohnt nur erkennen, diese dann theoretisch mit „Betrifft mich nicht…“ abhaken und weitermachen wie gewohnt, sondern wir müssten, um sie als Ursache zu erkennen, mit ihnen in Kontakt kommen, sie gründlich ansehen. Gründlich bedeutet hier doch wohl eher „nicht oberflächlich“, nicht als Nachricht oder Wissen, sondern tiefgehend zu ergründen, was nichts anderes bedeutet als uns innerlich ohne Scham, Ekel, Vorbehalt oder gar Reue berühren zu lassen. Das ist, wenn wir genau überlegen, eine sehr hoch idealisierte und noch dazu sehr klar definierte Methode des nüchternen Erkennens. Das Problem dabei, das ich deutlich erkennen kann, ist doch wohl einerseits die Gesellschaft selbst, die dieses Erkennen ganz und gar nicht honorieren wird, das Gefüge der Gesellschaft, die notwendige Informationen dazu zurückhält, nicht genügend Zeit lässt oder sogar wie heute diese Einsicht flächendeckend mit allen Mitteln bekämpft. Die Einsichten Einzelner gab es ja in unserer gesamten Geschichte zuhauf. Sie wurden gerne gehört oder gelesen, schon bald aber nur noch belächelt und hatten keinerlei Erfolg in der Breite der Masse, die gebraucht würde, um eine Änderung bewirken zu können. Krishnamurti selbst, der Dalai Lama, Martin Luther King sind bekannte Beispiele. Es gibt weiterhin viele relativ wenig bekannte Menschen, die nur in gesellschaftlichen Nischen bekannt wurden (in Buddhismus, Zen, Yoga) und vielleicht viele andere noch, die nie mit ihren Einsichten in die Öffentlichkeit gegangen sind. Zu den bekannte Letzteren gehörte wohl auch Laotse, der sein Werk ZaoTeKing auf der Flucht in die Einsamkeit geschrieben haben soll. Die Letzgenannten zogen ein Leben im Schatten der Gesellschaft und in der Nische vor, weil sie, zu recht, Restriktionen befürchten mussten und Ruf, Familie und Arbeit nicht riskieren wollten. Bereits ein geringer Bekanntheitsgrad (Heute gerne VIP benannt…) schränkt die Freiheit eines Individuums heute mehr als deutlich ein. Es droht, mit „Kot beworfen zu werden (Shitstorm in Social Media)“ und/oder öffentlich zur Schau gestellt zu werden, sobald man etwas aussagt, was große Gruppen der Gesellschaft ablehnen. Wir erfahren das gewöhnlich in den Gesellschaftsspalten von Zeitungen, Magazinen und Internet-Medien, wo „Wer hat was gesagt?“, „Wer ist mit wem verbandelt?“, „Wer hat einen Tabubruch (sich outen) von sich preisgegeben?“ oder auch schon viel einfacher, wo ein „Wer wurde mit wem gesehen?“ oder „Hat sich auf welcher Veranstaltung sehen lassen?“ ausreichen kann, um am öffentlichen Pranger zu stehen. Hinzu kommen heute „Hausbesuche von der Polizei“, weil sich irgendein VIP durch eine Kurznachricht (Post) beleidigt fühlt oder der „Entzug seines Kontos“ durch eine unter Druck gesetzte Bank, mit der einb Kritiker Spenden einsammelt. Und einmal am Pranger gestanden zu haben kann bereits verheerende Folgen nach sich ziehen. Eines der gravierendsten Beispiele dafür ist die Geschäftsaufgabe eines hoch geschätzten Schneiders, dessen einzige „Verfehlung“ darin bestand, der Schneider zu sein, dessen Werke von einer „umstrittenen“ (Qualitätspresse) Politikerin gerne getragen werden. Er verlor nach der Parteigründung der zugehörigen Partei und der folgenden kritischen Medienaktivitäten alle Auftraggeber (Händler), die wohl nur nicht in der Nähe dieser Politikerin gesehen werden wollten. Er selbst war/ist politisch nicht aktiv, hat seine bekannte Kundin nie gesehen und wollte nur gute nachhaltige Kleidung von hoher Qualität herstellen. Ereignisse dieser Art häufen sich mittlerweile in Deutschland immer mehr. Es zeitigt mehr und mehr ein Bild, das der im Krishnamurti-Zitat genannten Gesellschaft entspricht. Hinzugefügt müssten allerdings noch die Neigungen „von Angst erfüllt sein“ , „die Unfähigkeit, Ereignisse zu verknüpfen“ und „die Bildungsarmut, die gerechte Urteile nicht mehr zulässt“. In der Summe sind diese Neigungen geeignet, eine Gesellschaft zu zerstören.

Unsere großen Problemfelder liegen doch in vielen Tatsachen begründet:

  • Da ist zunächst einmal die Organisation als Sozialstaat, was natürlich Geld kostet.
  • Dann sind wir Mitglieder in den großen Organisationen EU und NATO, die ebenfalls große Summen verschlingen. Wir sind in beiden Fällen einer der großen Sponsoren auf der Ausgabenseite.
  • Dann haben wir aus Sparsamkeitserwägungen viele Jahre lang die Instandhaltung unserer Infrastruktur vernachlässigt. Dazu kam die Wiedervereinigung, die uns viele weiteren Baustellen beschert hat.
  • Dann haben wir sowohl unsere Rentenversorgung und unsere Pflegeversorgung einerseits geplündert, andererseits mit Reformen derart deformiert, das eine ausreichende Versorgung mit Kapital nicht mehr zustande gebracht werden kann. Das Ergebnis ist Altersarmut und Pflegenotstand.
  • Ebenfalls gespart wurde in den Bereichen Schule und Bildung. Die gesetzten Reformen sollten wohl vermehrt den Konzernen vorgefertigte sprich eingestimmte Arbeitskräfte vermitteln. Das Gebot, Bildung zu vermitteln, wurde durch die Reformen nahezu unmöglich gemacht.
  • Wir haben zugelassen, das aus unserem großen Vorbild USA halbgare und nicht-durchdachte Digitalprodukte unseren Markt überschwemmen, die zum Teil ohne Sicherheitseinrichtungen (Datenschutz) daherkommen und europäische Standards ignorieren. Zusätzlich haben wir versäumt, eigene digitale Produkte zu entwickeln bzw. solche Projekte zu stützen und vor allem zu schützen.
  • Dann haben wir zugelassen, das wir die Einwanderungsproblematik, mit der sich alle europäischen Länder auseinandersetzen müssen, vollkommen ohne Regulierung forciert haben.
  1. ISBN 978-3-95972-716-7, Seite 120
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