Diskurs: Gibt es Kultur ohne Propaganda?
Es gibt ein wunderbar beschreibendes Buch über „Moderne Propaganda“ von Johannes Menath. Darin werden 80 Methoden der Meinungslenkung beschrieben, die heute wirkmächtig sind. Ich habe diese 80 Methoden relativ zügig durchgelesen und muss jetzt, im Blick auf den Inhalt, sagen, das alle diese Methoden nahezu alltäglich in Büchern, Schriften, Nachrichten, Reportagen, Comedy und anderen Veröffentlichungen auftauchen. Es erscheint mir sogar so, das es eigentlich nicht möglich ist, eine Kultur für ein Volk zu bilden, ohne Methoden der Propaganda zu nutzen. Immerzu werden in den Kulturen die Menschen eingeteilt in Zugehörigkeiten, Klassen, Gesinnungen, Genossenschaften und Anhängern. Das ist, um es kurz und bündig zu umschreiben, eine Einteilung in „Wir“ und „Die“, und das auf verschiedenen sich ergänzenden Ebenen. Eine Kultur oder Form, die unterschiedliche Formen des Lebens in einem Staat oder nur einer Region störungsfrei vereint, wird zunehmend seltener. Es gab sie ethnisch zum Beispiel in Jugoslawien oder auf Zypern, bis… ja bis sich machthungrige Führer der Unterschiede besannen und diese zu ihrem eigenen Vorteil auszunutzen begannen. Auch heute in Deutschland ist das wieder zu beobachten. Aber es sind nicht ethnische sondern Gesinnung-Zugehörigkeiten, die mehr und mehr die führende Rolle spielen. Es gibt die Zugewanderten mit anderen kulturellen Gepflogenheiten und die Einheimischen, es gibt die Rechten und die Linken, es gibt die Zustimmer und die Widerständler, es gibt die Meinungsführer und die Verschwörungstheoretiker, gibt die Nationalisten und die Globalisten, die Moralisten und die Toleranten, gibt die gelobten Führer und die bösen Regenten. Und das Mittel dieser Auftrennungen ist immer Propaganda, die sich in Einseitigkeiten, Halbwahrheiten, oft sogar Lügen und/oder vielfältigen Vergleichen nährt. Grundlage für Spaltungen der Gesellschaft, ganz gleich welche wir auch betrachten, sind immer verbunden mit ein- oder sogar beidseitiger Propaganda. Das belegen eindeutig die 80 Methoden, die in dem benannten Buch genannt werden. Propaganda ist also nicht nur hier und da, sondern allgemein verbreitet überall zu beobachten. Werbung ist doch auch schon Propaganda. Emotionen werden verknüpft mit Produkten, die ich verkaufen möchte. Politisch betrachtet werden regelmäßig Scheindebatten geführt, die so weit von der gegebenen Wirklichkeit entfernt sind, das jedes Wort darüber eine Verschwendung darstellt. Kennen Sie die Debatte, ob Deutschland sich im Krieg befindet, wie unsere Außenministerin das aussagt? Nun, nicht wir, nicht deutsche Völkerrechtler in Hörsälen, sondern Russland wird entscheiden, mit wem und wann es sich im Krieg befindet. Es hätte logisch betrachtet auch allen Grund dazu, denn das Außenministerium beschreibt und vertritt unsere Sicht nach Außen, und die Hilfeleistungen finanzieller und militärischer Art und deren Umfang zur Ukraine hin sprechen mehr als Bände. Aber das ist ja nur Tagespolitik und… ? Nein, das ist eine Bedrohung der Freiheit, unserer Freiheit und die der anderen Beteiligten.
Was ist also Freiheit und was ist es nicht? Für mich ist Freiheit so etwas, was man auch in den Begriffen des Schönen, des Guten und Wahren beschreibt, also ein Ideal, das unter menschlichen Gesichtspunkten heute und in absehbarer Zukunft nicht erreicht werden kann. Der Mensch lebt auf der Erde grundsätzlich in sehr unterschiedlichen Sozialisationsformen, genannt Kulturen, die Freiheit an sich nicht zulassen können, da diese sich, einmal etabliert, stets zu bekämpfen pflegen. Jede Kultur enthält Setzungen, die willkürlich genannt werden müssen und die nicht belegt werden können. Sie enthält und drückt sich aus in Gesetzen und/oder Sitten, die nicht frei genannt werden können. Selbst im alten China, das die europäische Setzungs- und Gesetzeswut nicht kannte, herrschte trotz allem die Sitte, die gleich dem Gesetz doch Zwang und Folgsamkeit erfordert. Nicht umsonst sind alle Heiligen und Weisen dieses asiatischen Volkes irgendwann untergetaucht oder zogen sich in die Berge, Klöster und Schulen zurück. Wir haben uns in Europa immer mehr angewöhnt, das in den Abstimmungen in den Parlamenten nahezu immer ein Mehrheitsbeschluss gefasst werden muss. Das ist dann im Grunde die Staatsform einer Ochlokratie, wobei hier die Parteien, also Vereine und deren Mitglieder sowie deren Anhänger, die sich weitestgehend und übergreifend einig sind, die „Pöbelherrschaft“ bilden. Die demokratische Kultur aber legte vor, das diese Form der Entscheidung nur in Zwangslagen eingesetzt werden sollte. Alltagstauglich sollte der Konsens als Entscheidungsform gewählt werden, wobei nicht wie zur Zeit die Regierenden unter sich zu einem Konsens finden sollten, sondern das ganze Volk in die Konsensfindung eingebunden sein müsste. Nur so lässt sich logischerweise die Volkssouveränität verwirklichen.
Was bleibt also übrig von der Frage nach der Definition von Freiheit an sich? Nicht viel, müsste ich schreiben. Aber dem ist nicht so. Mit jedem Wort dieses Artikel, mit jeder Recherche und jedem nachlesen wird mir als Schreiber mehr und mehr bewusst, was es mit dem Freiheitsgedanken auf sich hat. Es geht dabei nicht mehr um Feststellungen, sondern um Lösungen in Form von Auflösen der widerstrebenden und sich widersprechenden Anteile. Mir wurden/werden Setzungen bewusst, die ich bisher nicht kannte, entdecke neuen, vollkommen von meiner Weise zu Denken abweichende Möglichkeiten und bescheren mir einen Spiegel-gleichen Blick auf mein eigenes Denken. Das erlaubt Kritik am eigenen Selbst, am Ich-Sein und der direkt vor den Füßen auflebenden Umgebung. Es ist keine neue Dogmatik, keine neue Seinsweise, keine neue Weltsicht, kein Narrativ und auch keine Strategie, sondern einen Blick über alles Wahrnehmbare, zu dem ich Zugang habe, hinweg. Und das Bild, das erscheint ist mehr das eines Flusses und nicht dem einer Ansammlung von Dingen. Und vor dem Bild betrachtend stehend erkenne ich mehr und mehr meine Vernetztheit mit dem Ganzen. Mensch-sein heute ist wie seit alter Zeit bedingt und relativ. Wir alle sind, stehen und fallen mit dem Fluss des Ganzen, der weder gestaut noch angehalten werden kann. Frei zu sein bedeutet für mich zu erkennen, das es Freiheit an sich nicht gibt. Und so realisiere ich das Maß an Freiheit, das mir verfügbar ist. Es gilt der Grundsatz, der bekannt ist unter Niebuhrs Gebet, das ich meiner Anschauung gemäß etwas angepasst habe:
Ich pflege (Original: Gott, gib mir…) die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, (pflege) den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und (pflege) die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Dazu bedarf es den Mut, Verfahren, Tatsachen, Verhaltensweisen und Gewohnheiten zu hinterfragen. Es bedarf der Gelassenheit, das für dem Moment zu akzeptieren, was unveränderlich erscheint, ohne es für immer festzuschreiben. Und die Weisheit besagt, das es keine ewig festgelegte Position geben kann. Bereits morgen kann sich alles geändert haben, was heute klar und deutlich vor mir liegt. In dieser Offenheit zeigt sich, was die Situation jetzt und hier erfordert, weil kein Gestell (Heidegger: entspricht der Vorstellung) die Wirklichkeit verdeckt. Der zu beschreitende Weg liegt stets direkt vor den Füßen. Er wird meist nur nicht wahrgenommen, weil er zu offensichtlich ist und wir uns in unzähligen Vorstellungen des Verstandes und seiner Kultur verfangen haben.