Zitat: (Handbuch philosophischer Grundbegriffe, Kösel):
Was aber bedeutet Freiheit, wenn sie in einem Fall zwischen totalitären und anarchischem Elend aufgerieben wird, im anderen Fall aber lediglich Selbstdetermination durch Gesetze und Zwang durch deren Befolgung bedeutet?
Die Wahl besteht also nach dem oben zitierten Satz in entweder einem Verzicht auf Freiheit oder aber in dem Ankommen in einer anarchischen Organisation, in der wiederum das Recht des Stärkeren regieren würde, sich also wie von selbst eine Klassengesellschaft oder eine Hackordnung herausbilden müsste. Stimmt diese Annahme? Nun, bisher und in der Geschichte belegt ist dieser Satz zumindest für Europa richtig. Aber gilt er für alle künftigen Zeiten auch so unbeschränkt, wie das hier angenommen wird?
Ein ganz besondere Ausformung in der Philosophie der Freiheit ist der Begriff der Transzendenz. Dieser wird verwendet in der Form, das es jenseits des lebendigen Menschen eine Ebene gibt, die zum Beispiel nach dem Tode erreicht werden könne, wenn das gelebte Leben ganz bestimmten Normen entspräche oder aber der wie immer definierte Geist des Menschen eine bestimmte Entwicklungsstufe erreicht habe, die Teilhabe an den transzendenten Räumen (Vernunft, Weisheit) erlaube. Ich sehe hierin eine große Nähe zu religiösem Denken, das sich in Paradiesen, Nirvanen oder Erhebungen zu Gott-gleichen Fähigkeiten ausdrückt. Hier wird eine Grenze definiert, die nur von wenigen und unter ganz bestimmten Umständen überschritten werden kann. Ich denke mal, hier muss ich nicht weiter gehen, da weitere Ausführungen sich in Spekulationen derart verstricken würden, das eine nachvollziehbare Argumentation nicht mehr möglich wäre.
Eine für Europa neue, weil aus China zu uns vorgedrungene Möglichkeit, Freiheit zu denken, ist mit dem Wort Disponiblität oder zu deutsch Verfügbarkeit verbunden. Wir kennen das Wort eigentlich nur dadurch, das wir zur Abarbeitung einer Aufgabe die verfügbaren Mittel, die geeignet erscheinen, bestimmen. Das aber ist eine sehr begrenzte Auffassung von verfügbaren Mitteln und beschreitbarer Wege. So könnte die Bestimmung der Verfügbarkeit auch darin bestehen, Handlungsstränge zu erforschen. Es könnten die gewohnten Wege durch neue Ideen, neue Innovationen oder durch richtungsweisendes Umdenken ergänzt werden. Dazu wäre es aber notwendig, die Setzungen unserer Kultur, die allgegenwärtigen Selbstverständlichkeiten, die wir selten bis gar nicht hinterfragen, da wir sie als Realität mit Wahrheitswert betrachten, zunächst einmal aufzugeben und über den berühmt-berüchtigten Tellerrand hinaus zu schauen. Es würde dabei das Wort „Aufgabe“ in dem Sinne interpretieren, das dem sprachlich verwandten „aufgeben“ entspräche. Eine Aufgabe könnte gelöst (freigelassen) werden, in dem man aufgibt, ausschließlich alten Denk- und Handlungsmustern zu folgen, ohne diese allerdings zu verwerfen. Sie sind und bleiben neben ihren neuen Brüdern und Schwestern vollwertige Lösungen und werden wie andere Ideen, Möglichkeiten und Phantasien gleichwertig gesehen. Ein sehr begrenzter Versuch der Umsetzung dieser Verfügbarkeit bestand in der Modeerscheinung des Brainstorming, das spontan entstandene Lösungen, auch unrealistische, phantasievolle und visionäre, sammelte, um dann aus diesem Korb eine Auswahl zu treffen. Das Problem bestand darin, das irgendwer hier eine Wahl treffen musste. Das ist aber in einer freien Ordnung und dem Mittel der aus China importierten Disponiblität nicht notwendig und sogar verpönt. Es geht hier nämlich um das Erfassen der Welt durch Loslassen (der bewährten Mittel zur Problemlösung). Es geht nicht um die Wahl der richtigen Position, sondern um die Aufgabe jeglicher Position und dem zufolge um eine Haltung, die Widerspruch und Streit gar nicht mehr ermöglicht.