Weil ich es kann
Die Frage nach dem guten, richtigen Leben füllt Bestseller, Ratgeber und Philosophie-Bücher in großer Zahl und könnte ganze Bibliotheken allein füllen. Meiner Ansicht nach ist diese Frage aber schlicht und/oder schlecht oder sogar falsch gestellt. Wir Menschen sind zum Herrscher dieses Planeten geworden, weil wir dazu fähig sind, mittels Sprache ‚Ich zu sagen‘ und in Wort und Schrift Erfahrungen weiterzugeben. Wir sind zu dem geworden, was wir sind, weil wir Gemeinschaft pflegen und gemeinsam mit anderen für und an unserem Lebenswerk arbeiten. Zu wissen, was Leben im Grunde genommen wirklich ist, ist also nicht eine Voraussetzung eines Lebens. Ich sehe jeden Tag viele Menschen, die große und hervorragende Fähigkeiten haben und Großes zu leisten vermögen. Und wenn ich die Menschen fragen würde, warum sie das gerade so tun und nicht anders, würde ich viele Antworten bekommen. Ereignisse und Motivationen aber sind nicht die einzig möglichen Inhalte dieser Antworten. Mir fehlt oft der so schön gestaltete und ziemlich profane Satz, der alles erklären könnte: Ich tue das, weil ich es kann. Ich glaube heute, das Leben sich einfach ergibt, und egal wie immer es sich auch darstellt, es trotzdem wert ist, gelebt zu werden. Das ist auch in Ermangelung einer zufriedenstellenden Antwort auf meine Fragen die gelebte Zwischenlösung, die mir Kraft und Zuversicht vermittelt. Und das in mir neben dem Zweifel auch die Sehnsucht wohnt, ist eben so. Ich kann es doch wohl gerade nicht ändern, daher kann ich nur damit arbeiten und es, sollte sich niemals etwas anderes ergeben, mit dem letzten Gedanken meines Lebens akzeptieren. Ich habe versucht, Zweifel und Sehnsucht in eine klare übergreifende Form zu setzen. Es war mir bisher nicht zufriedenstellend möglich. Letztens habe ich geträumt davon, das die Abfolge „Hervorbringen, Anhäufen, Zerstreuen“ zu einer Antwort oder zumindest zu einer Annäherung an eine Antwort führt könnte, und ich beschäftige mich seit Tagen schon mit dieser neuen Chance. Ob sie ein Ergebnis zu Tage fördert, wird sich erweisen. Also, solange ich lesen und an der Frage der Fragen arbeiten kann, werde ich das auch tun. Soviel ist sicher. Und auch wenn sich keine Antwort ergibt, allein diese Frage zu stellen belohnt das Leben schon ganz allein. Das ist meine Antwort auf die zu Beginn gestellte Aufgabe: Die Frage ist der Schlüssel, die Antwort selbst ist weder entscheidend noch wichtig. Ich lebe, weil ich Leben in mir spüre, weil ich lebendig bin und ich leben kann, und das Warum und Wieso überlasse ich denen, die unbedingt eine Antwort benötigen, um der Depression zu entgehen oder neue Motivationen zu bekommen. Mir genügt heute die Aussage: Ich lebe. Und das finde ich toll. Und auch das stete Scheitern an Antworten kann mich nicht vom Leben abhalten. Alles Weitere findet sich schon, irgendwie.