Das gute, richtige und sinnvolle Leben

Die Frage nach dem Leben

Formuliere ich die Frage anders, zum Beispiel, indem ich die ‚bösen‘ Eigenschaftsworte einfach weglasse, komm ich zu der Frage:

Was ist Leben an sich?

Die Ergänzung ‚an sich‘ erscheint mir wichtig, da ich mich nicht auf irgendeine eingrenzende Begrifflichkeit von Leben beziehen möchte. Das beruht darauf, das ich jedem Menschen unterstelle, eine für ihn persönlich zutreffende Definition des Begriffs Leben zu haben, und wer sich dieser Aufgabe niemals gestellt hat, wird auch diesen Artikel wahrscheinlich nicht lesen wollen. Zu dem somit formulierten Vorurteil stehe ich mit meiner ganzer Überzeugung. Ich sehe mich selbst also nicht frei von Vorurteilen, Dogmen und Setzungen. Das ist ja auch der Grund, warum mich solcherlei Fragestellungen brennend interessieren. Und daher kloppe ich meine Bücher auch nicht in die Tonne, sondern lese fröhlich weiter, um neue Anstöße und Schubser zu erhalten. Um seine eigenen Prägungen erkennen zu können, muss man sich Prägungen seiner Mitmenschen anschauen und diese dann seinen eigenen gegenüberstellen. Und wer, wenn nicht die großen Schreiber unserer Zeit, wären wohl bei diesem Vorgehen besser geeignet. Stelle ich mich der Frage nach dem Leben, komme ich nicht umhin, mir mein Leben von einem abgehobenen oder separierten Standort aus vorzustellen. Es gibt kein Schauen und Betrachten in einem immanenten Zu-Gegen-Sein, das dazu in der Lage wäre, das Ergebnis in Schriftform festzuhalten. Im immanenten Ort steht man inmitten der immerzu fortschreitenden Wandlungen, die ein Festhalten nicht möglich machen. Bevor der Schriftsatz beendet ist, hat sich schon der Ort verwandelt, aus dem heraus ich betrachte. Leben an sich lässt sich nicht festhalten, lässt sich nicht beschreiben, kann nicht fixiert werden. Was ich zum Leben an sich, das mich bewegt, sagen kann, ist, das ich irgendwann wohl darin aufgewacht bin. Ich bevorzuge den neutralen Begriff ‚aufgewacht‘, da ich ‚ins Leben hinein geworfen‘, ‚in der Selbstlüge gebunden‘ (Sartre) oder ‚zur Immanenz verdammt‘ (Beauvoir), durch das jeweils innewohnende Substantiv bereits wieder als eingeschränkt, als gewertet betrachten muss. Warum, um das Erstgenannte genauer zu spezifizieren, geworfen, gefallen oder sogar gedrängt? Warum nicht beschenkt, belohnt oder sogar bestraft? Verweigere ich allerdings Substantive und Adjektive zu setzten, kann ich über ‚das Leben an sich‘ nicht schreiben. Es muss genügen, darin aufgewacht zu sein. Das habe ich akzeptiert. Für mich ist mein Leben kein Strom von Ereignissen, die sich beschreiben lassen. Mein Leben sehe ich mehr wie ein steter Strom von Wandlungen, der sich nicht in Abschnitte unterteilen lässt, ohne das Strömen zu unterbrechen. Sicherlich muss ich hier und da Ereignisse eingrenzen, gewiss, aber ich betrachte das mehr als Ausnahmen und nicht als Regelfälle. Die Regel sollte das Strömen sein, nicht das Unterbrechen.

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