Dann kommt aber immer wieder der Moment, an dem ich sagen kann, jetzt habe ich meine Liste abgearbeitet, und jetzt liegt eigentlich nichts mehr an. Und so kompakt das weiter oben auch klang, dieser Zeitpunkt kommt immer mal wieder. Bei mir war das erstmals schon im zweiten Jahr des Ruhestands der Fall. Kein Buch mehr, das mich gerade interessiert, keine Verwaltungsaufgaben, die zu erledigen wären, zu kalt für den Garten und den Keller (…wo ja immer etwas zu tun ist…), die Nachrichten sind auch schon gelesen, der letzte Artikel ist veröffentlicht, nichts gibt es zum Einkaufen, nichts zu recherchieren, und auch der Alltagsmodus gibt keine Aktivitäten mehr her. Bei mir setzte dann das Grübeln ein, mit ihm die Erinnerungen an längst abgeschlossen geglaubte vergangene Tage, und damit die unverarbeiteten Emotionen (Wut, Trauer, Missbilligung), die noch immer verbunden sind. Meine Liste dieser Art ist lang. Allein die Felder, die direkt oder auch indirekt mit Mobbing, Bossing und anderen kleinen Bösartigkeiten, die mir widerfuhren, verbunden sind, füllen Bände. Das beginnt bei der Familie, geht über die Schule, die Lehre, den Beruf, diverse Vereine und Freizeitaktivitäten, Beziehungen, bis zu Schüler/Lehrer- und Vorgesetzten-Verhältnissen. Und es sind die Zeiten, die sehr ruhig sich gestalten, in denen die leidvolle Vergangenheit vieler Jahre erneut voll hoch kocht. Mir hilft in solchen Situationen die Gewohnheit, die seit mehr als 6 Jahren meinen Alltag begleitet und heute fester Bestandteil meines Tagesablaufes ist, mich hinzusetzen und zu meditieren. Die aufsteigenden Emotionen sind spannend, und sie erzählen mir eine ganz andere Geschichte, als die, die ich mir vorgestellt habe, nämlich das nichts davon so weit verarbeitet wurde, das ich frei und unbeschwert meinen Ruhestand genießen könnte. Und so habe ich mich dazu durch gerungen, in Zeiten der Langeweile mich mit diesen Themen erneut auseinander zu setzten. Dazu hole ich Erinnerungen zurück und studiere diese regelrecht mit und durch die vielen Angebote, die unsere digitale Medienwelt aus allen Fachbereichen des geistigen Lebens für uns bereit hält. Philosophie, Psychologie, Spiritualität, Ratgeber, Religion, Veröffentlichungen im Netz, Zen, Yoga und so weiter und so weiter.
Nun mag sich manch Leser fragen, warum denn so kompliziert, warum so breit gefächert und mit solch riesigem Aufwand. Ich bekomme, wenn ich über meine Aktivitäten erzähle, oftmals den wohl gemeinten Rat, doch einfach mal dieses eine Buch zu lesen. Da stünde alles drin, was ich wissen müsse. Ich habe mir dann auch schon mal das eine oder andere Exemplar gekauft, und tatsächlich, da stand auch viel drin. Nur was ich davon gebrauchen konnte, ist mit dünn nur schlecht beschrieben. Das liegt, so glaube ich zumindest, daran, das ich zu der relativ kleinen Gruppe der Einzelgänger gehöre, die statistisch heute keine Rolle mehr spielt, da die große Masse sich sozusagen sozial, offen und zumindest tolerant darstellt und nur noch für diese Gruppe Bücher, Artikel und Schriften verfasst werden. Die paar Einzelgänger, die es noch gibt, füllen keine Kassen im Medienbetrieb. Die Masse hat aber ganz andere Problemstellungen zu bearbeiten als ich. Ich habe schon viele dieser Bücher gelesen und dabei bemerkt habe, das sich da ganz und gar keine einheitliche Linie finden lässt, im Gegenteil, viele widersprechen sich regelrecht und fast alle sind mit meiner Grundeinstellung nicht kompatibel. Ich müsste mich, um das Problem zu lösen, also für eine Linie, eine Theorie, einen Glauben, ein Verfahren entscheiden. Das kann ich aber nicht, weil ich dann schon wieder sozusagen einem Verein beitreten würde, einer Gruppe oder Ansicht nachfolgen müsste, und das sorgte doch in meiner Erfahrung stets für eben die gleichen Probleme, aus denen ich doch gerade auszusteigen gedenke. Ich kann mich daher keiner Gruppe oder festgelegten Methode anschließen und sehe mich daher gezwungen, selbst und eigenständig umfassend und breit zu forschen, zu recherchieren und zu arbeiten.
Fangen wir doch einfach mal an, die „kleinen und großen Bösartigkeiten“ der Mitmenschen zu hinterfragen/untersuchen: Mobbing, Bossing und die beliebte „Üble Nachrede“. Ich sagte es bereits, mein Kontakt mit dieser Nische des mitmenschlichen Verhaltens ist lang. Wie schon erwähnt erwarteten mich diese bereits in der Grundschule, zogen sich über die weiterführenden und berufsbildenden Klassen bis ins geregelte Arbeitsleben hinein. Mit dabei und immer in vorderster Front neben Kollegen und Mitschülern: Vorgesetzte, Lehrer, Ausbilder, also Menschen, die ein Vorbild sein sollten und/oder die zumindest Weisungs-befugt waren. Und eine weitere Gruppe ist mir von der Motivation her bis heute ein großes Rätsel, nämlich die Leute, die sich zwar nicht direkt beteiligt haben, die dieser Verfolgung aber unberührt und tatenlos zugesehen haben, die genau genommen weggesehen haben. Für mich waren diese Menschen immer die schwierigste Gruppe, weil sie auf mich wie gefühllose Steine wirkten. Die Aktiven hatten wenigstens noch ihre Abneigung und ihre Schadenfreude. Das wirkte noch menschlich. Nun habe ich bis heute schon sehr viel darüber gelesen und ich muss heute feststellen, das keine der mir zugänglichen Veröffentlichungen darüber mir ein klares und brauchbares Bild zu vermitteln vermochte. Ich habe daher auch nicht vor, diesen Bildern ein weiteres hinzuzufügen. Im Gegenteil, denn das ganze Wissen darüber wird niemand helfen, mit dieser passionierten und sehr weit verbreiteten Menschheitsgewohnheit fertig zu werden. Ich habe akzeptiert, das sie da ist, das sie besteht und nicht selten zu Einsatz kommt. Und ich beschäftige mich daher nicht mehr mit den Methoden, die selbiges verhindern könnten, sondern mit den Methoden, die es zur Erwiderung gibt. Nur soviel muss zu den Gründen des häufigen Aufkommens gesagt werden, das sie meist auf einen Mangel an Menschlichkeit zurückgeführt werden können, denn sie beruhen auf Angst, Bedingtheit, mangelndem Selbstgefühl und Bequemlichkeit, und das bei allen bereits genannten Gruppen einschließlich der untätigen Zeugen, die in meinem Fall eindeutig die Mehrheit darstellten. Und eine weitere Aussage ist wichtig, da sie eine Bedingung für das Funktionieren ist: Alle diese Aktionen beruhen grundlegend auf den Prinzipien der üblen Nachrede oder sogar der Verleumdung. Das sind sogar nach dem Gesetz bereits strafbare Handlungen, die staatlich verfolgt werden könnten. Die unterlassene Hilfeleistung gehört aber leider nicht dazu, denn sie gilt nur bei körperlichen und nicht bei seelischen oder psychologischen Schäden. Schade eigentlich, denn diese Gebiete der Bösartigkeit richten weit mehr Schaden an als gemeinhin wahrgenommen wird. Wenden wir nunmehr die Perspektive und richten uns aus in die Perspektive des Opfers. Was Mobbing, Bossing, üblen Nachrede und Verleumdung gemeinsam haben ist die Fähigkeit, beim Opfer der Aktion(en) Emotionen zu erzeugen. Bei Ausbruch derselben finden sich Reaktionen von Wut, Zorn, Trauen, Niedergeschlagenheit usw. ein und gehen bis zu depressiven Störungen. Werden diese Gefühle übermächtig, werden sie sich mit größter Wahrscheinlichkeit nach bereits bei Kleinigkeiten bemerkbar machen und sie bestätigen damit die umlaufenden unwahren Behauptungen, obwohl diese zunächst unbegründet schienen. Die genannten Bösartigkeiten haben nämlich das Ziel, das Opfer zu einem Täter zu machen, der sich dann durch Aggression selbst disqualifiziert. Besonders Mobbing und Bossing machen bei gelungener Entfaltung die Opfer zu Tätern und die Täter in der heißen Phase dann zu vermeintlich unschuldigen Opfern. Diese Umkehrung macht in der Außenwirkung diese Bösartigkeiten zu einem interessanten Motiv besonders in Bereichen, in der Konkurrenz und Leistung an vorderster Stelle stehen. Mein Ratschlag an Betroffene lautet daher folgerichtig, sich nicht im emotionale Ausbrüche verwickeln zu lassen. Bleiben Sie weiter dezent freundlich, hilfsbereit und kollegial. Lassen Sie sich ihre Betroffenheit nicht anmerken. Machen sie ihre Arbeit und leisten sie das, was von ihnen erwartet wird. Nehmen sie eher ihre Wut und steigern sie mit dieser Energie ihre Arbeitsleistung. Das wird den Mob und die Zeugen ebenfalls zwingen, ihre Leistung zu erhöhen, was dieser Gruppe aber besonders schwer fällt. Sie pflegen nämlich eine andere Strategie, um ihre Leistungen präsentieren zu können, sie versuchen permanent, die Leistungsmöglichkeiten anderer zu stören, in dem sie nämlich mobben, Hilfeleistungen verweigern und nie Zeit für Hilfeleistungen haben. Seien sie also stoisch freundlich, hilfsbereit und konzentrieren sie sich auf ihre Arbeit. Sie müssen dabei nicht umgänglich sein, müssen nicht mit-sozialisieren, mit-erzählen und so weiter. Seien sie einfach genau so ungerührt wie Sie es wären zu einem unbekannten Touristen aus China, den sie bei einem Spaziergang treffen und der sie nach dem Weg fragt. Sie antworten, freundlich, wahrheitsgemäß, und gut ist. Die Mobber wird das rasend machen, denn sie erreichen ihr Ziel nicht, im Gegenteil.