Das Ringen um Freiheit

Das wir in der europäischen Kultur um ein Gut ringen, das wir salopp „Freiheit“ nennen, ist allgemeines Wissensgut und anerkannt. Wissen wir aber auch, was Freiheit eigentlich bedeutet? Ich denke: Nein. Beginnen wir daher einmal damit, was wir heute, 2023, mit dem Begriff der Freiheit verbinden. Da wird jedem, der gefragt würde, zunächst einmal die Staatsform der Demokratie einfallen.



Dann ginge es weiter mit Besitzrechten, die wir nicht missen möchten, ginge weiter mit der Freiheit, eine eigene Meinung besitzen und äußern zu dürfen, ginge weiter mit Versammlungsfreiheit, der Einbettung in Schutzsysteme wie zum Beispiel für Gesundheit, gegen Armut und Hunger, gegen Gewalt und Terror, gegen Krieg und Machtwillkür, für eine funktionierende Versorgung mit Lebensgütern, eingebettet in ein gerechtes Justizsystem und zuletzt aber noch nicht abschließend für die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit. Wie schon geschrieben, da könnten noch Seitenweise weitere Rechte und Wünsche folgen. Und jeder, der sich mit der oben gestellten Frage beschäftigt hat, wird dann mehr oder weniger einen Vergleich starten, mit dem er/sie auszusagen versucht, wie viel davon seiner Meinung nach verwirklicht ist und welcher Staat, welches Volk oder welche gesellschaftlichen Gruppen die noch offenen Motive verwirklicht hat oder dieses ohne Schwierigkeiten könnte.

Ja, genau so würde es wohl ablaufen, denke ich mal. Aber ist das auf diese Weise abgebildet und diskutiert überhaupt sinnvoll. Ist es sinnvoll, die Freiheit, also die eine absolute Freiheit in verschiedenste Unterbegriffe aufzuteilen (Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Bildungsfreiheit, Gesinnungsfreiheit usw.), oder wirkt dieses Verfahren nicht schon in zersetzender Weise gegen den Begriff, den ich zu klären suche? Und ist es der Freiheit zuträglich, wenn ich die Freiheit deutscher Gesinnung mit der anderer Kulturen vergleiche und Schlüsse daraus ziehe? Häufig vergleichen wir dabei nämlich Äpfel mit Möhren, beides zwar Lebensmittel, aber auch vollkommen verschieden. War es nicht einmal üblich, jedem Volk und jeder Kultur die Freiheit zuzugestehen, die dem Interesse einer Weltgemeinschaft nicht direkt widerspricht? Freiheit in China, Amerika, Russland und Deutschland kann doch gar nicht gleich ausgeprägt sein, weil diese Nationen jeweils über kulturelle Setzungen verfügen, die nicht miteinander kompatibel sind. Ist hier im weltweiten Zusammenspiel nicht vielmehr die moderne Toleranz deutlich mehr gefragt, was ja nicht gut, gesittet oder vernünftig, sondern zu ertragen, zu erdulden und zu erleiden bedeutet.

Beginnen wir daher zunächst, den Begriff einzugrenzen, und zwar nicht, in dem ich für ihn einen Rahmen setze, sondern ihn betrachte in seiner Einordnung in Gegensätze. Was ist also das Gegenteil, der Antagonismus der Freiheit? Nun, „Un-Freiheit“ bietet sich an, aber ist kein wirklich guter Begriff, um das umzusetzen. Er fällt also aus. Gleiches gilt für die Verneinung mit „Nicht-Freiheit“ und „Anti-Freiheit“. Um eine Verneinung setzen zu können, müssen wir zunächst das zu Verneinende genau definieren. Wenn ich also sage, „Menschen in Xyz leben in Unfreiheit“, dann ist das im Grunde eine nichtssagende Äußerung. Wenn wir so vorbereitet durch die Schubladen gehen, in der Freiheit normalerweise einsortiert ist, kommen wir zu sehr unterschiedlichen Motiven, die davon abhängen, was ich zum Beispiel politisch, gesellschaftlich oder system-beschreibend als „frei“ definiere. Ich könnte also sagen, alle in einer „Demokratie“ lebenden Menschen leben in Freiheit. Nur, es gibt ja auch viele Menschen, die sich durchaus frei fühlen, die in einer Monarchie, Oligarchie oder sogar Diktatur leben. Wie gehe ich mit solch einer Erkenntnis dann um? Weiterführend könnte ich auch der Ansicht sein, das ein Leben in unmittelbarer Bedrohung durch Hunger, Krieg und/oder Naturhärten ebenfalls nicht frei genannt werden kann. Die Frage aber bleibt offen, ob das auch wirklich stimmt. Viele Menschen in von Europa fernen Ländern sind arm und ständig bedroht von Hunger oder Naturphänomenen, sind aber trotzdem glücklich und würden sich, so sie denn den Begriff „Freiheit“ überhaupt kennen, wohl doch als frei lebend bezeichnen. Wenn wir uns also mit Freiheit beschäftigen, müssen wir wohl oder übel eine allgemein gültige Definition liefern, was wir eigentlich meinen. Nun gibt es diese Form einer Definition bisher nicht, denn alle bisherigen Versuche dergestalt wurden ausschließlich auf der Basis der europäischen Philosophie errichtet. Europa, oder besser geschrieben europäisches Denken, wir erinnern uns, findet sich aber nur in etwa 10% der Weltbevölkerung (USA, EU, Australien, Neuseeland). Weitere Länder der Welt halten sich in einer nur teilweise von europäischem Gedankengut durchdrungenen Kultur auf und andere wie zum Beispiel die Kulturnation China früherer Zeiten hatte für seine Weltsicht, Kultur und Ordnung ein ganz anderes Grundlagengebäude errichtet und/oder kennt den Begriff der einen Freiheit gar nicht. Sehr viel häufiger ist dort in der nicht westlichen Welt der Begriff der „Weisheit“ anzutreffen, auf den sich viele Kulturen gründen und berufen. Es ist also nicht sinnvoll, weil nicht umfassend, eine allgemein gültige Definition auf der Basis der europäisch geprägten Philosophie zu suchen, die für alle Völker gleich gültig ist.



Zitat (Handbuch philosophischer Grundbegriffe, Kösel):

Innerhalb der Philosophie des dogmatischen Realismus [1. Der Begriff Realismus umfasst eine Vielzahl philosophischer Positionen, nach denen vom menschlichen Bewusstsein unabhängige Phänomene existieren, die auf uns einwirken und die wir sprachlich bezeichnen können. Dabei werden realistische Thesen bezüglich ganz unterschiedlicher Phänomene diskutiert, sodass man genauer jeweils von einem Realismus bezüglich eines bestimmten Problembereichs spricht. Wird die Existenz einer denkunabhängigen Realität angenommen, spricht man von metaphysischem oder ontologischem Realismus. Genauerhin spricht man auch hier jeweils wieder von Realismus bezüglich unterschiedlicher ontologischer Objekte. Wikipedia (DE)] eröffnet sich demnach keine Aussicht auf ein Weiterkommen in der philosophischen Klärung des Begriffs der Freiheit. Der Philosophie bliebe lediglich die Aufgabe, Freiheit als ein irreführendes, dem Menschen eine angemaßte Würde gegenüber der Natur vorgaukelndes Wort zu entlarven und den Begriff zu eliminieren.

Dogmatisch ist der Realismus dann, wenn er weder metaphysisch noch ontologisch determiniert ist und diese Ansicht als die allgemein gültig betrachtet wird. Sowohl die Wissenschaften als auch die Finanz- und Wirtschaftssysteme europäischer Prägung bauen auf dieser Form auf. Kommen wir zurück zu dem gründenden Frage: Was ist der Gegensatz der Freiheit? Gibt es das überhaupt? Meiner Ansicht nach ist die Freiheit, wie wir in Europa sie verstehen, eine Idee mit einer sehr unscharf gezeichneten Wirklichkeit. Das hindert uns aber scheinbar nicht daran, diese Idee ohne ausgearbeitete Form in die Welt anderer Völker hinauszutragen.

Andere Versuche, Freiheit und deren Gegensatz zu definieren versuchen die Weltreligionen beziehungsweise nahezu alle Religionen. Ihr Hauptanliegen besteht dann darin, Ideen und Handlungen in Systeme einzuordnen, die sich auf den Gegensätzen wie richtig/falsch, heilig/sündig und/oder Gott-gewollt/teuflisch aufbauen. Freiheit oder freiheitlich als Begriff kommt in Religionen eher selten vor, denn Gott oder seine Repräsentanten, wer auch immer diese eingesetzt hat, bestimmen die Auslegung. Das geschieht meist auf der Basis sehr alter antiker Schriften (Christentum: Bibel, Islam: Koran, Judentum: Tora, Buddhismus: Sutren, Hinduismus: Veden, usw.). Nahezu alle absolutistischen Systeme wie zum Beispiel die Monarchie betrachten die herrschende Klasse bzw. deren Repräsentanten als von Gott eingesetzt (Christentum, Judentum, Islam) und/oder stellen die herrschende Ordnung, die sich vorfinden lässt, nicht in Frage (Buddhismus, Hinduismus, Taoismus). Hier also nach einer Antwort zum Begriff „Freiheit“ zu suchen ist von wenig Erfolg gekrönt.

Weitere Versuche, Freiheit zu definieren. werden von den verschiedensten politischen oder staatstragenden Systemen versucht. Bekannt und geläufig sind die Versuche mit Links- vs. Rechts- Unterscheidungen, in Sozialismus(Kommunismus)- vs. Demokratie-Einordnungen und/oder Monarchie vs. Oligarchie vs. Ochlokratie [2. Ochlokratie (altgriechisch aus óchlos, deutsch ‚Menschenmenge‘, ‚Masse‘, ‚Pöbel‘, und -kratie), deutsch auch Pöbelherrschaft, ist ein abwertender Begriff für eine Herrschaftsform, bei der eine Masse ihre politischen Entschlüsse als Mehrheit oder durch Gewalt eigennützig durchsetzt. Der Begriff wurde durch den Historiker Polybios (um 200–118 v. Chr.) in die antike griechische Staatstheorie eingeführt. In seinem Verfassungskreislauf stellt er die Ochlokratie als Verfallsform oder „Entartung“ der demokratischen Staatsform dar. Dabei gehe die Orientierung am Gemeinwohl verloren, stattdessen würden Eigennutz und Habsucht das Handeln der Bürger bestimmen.] Da alle diese Formen eine Herrschaftsform darstellen, in der einige wenige die Macht haben, über eine breitere Bevölkerung zu bestimmen, kann Freiheit als absoluter Begriff hier keine Verwendung finden. Ein Mensch, der geführt wird, vielleicht sogar unter Androhung von Ressentiments oder Gewalt, ist nicht frei.



Zitat: (Handbuch philosophischer Grundbegriffe, Kösel):

Was aber bedeutet Freiheit, wenn sie in einem Fall zwischen totalitären und anarchischem Elend aufgerieben wird, im anderen Fall aber lediglich Selbstdetermination durch Gesetze und Zwang durch deren Befolgung bedeutet?

Die Wahl besteht also nach dem oben zitierten Satz in entweder einem Verzicht auf Freiheit oder aber in dem Ankommen in einer anarchischen Organisation, in der wiederum das Recht des Stärkeren regieren würde, sich also wie von selbst eine Klassengesellschaft oder eine Hackordnung herausbilden müsste. Stimmt diese Annahme? Nun, bisher und in der Geschichte belegt ist dieser Satz zumindest für Europa richtig. Aber gilt er für alle künftigen Zeiten auch so unbeschränkt, wie das hier angenommen wird?

Ein ganz besondere Ausformung in der Philosophie der Freiheit ist der Begriff der Transzendenz. Dieser wird verwendet in der Form, das es jenseits des lebendigen Menschen eine Ebene gibt, die zum Beispiel nach dem Tode erreicht werden könne, wenn das gelebte Leben ganz bestimmten Normen entspräche oder aber der wie immer definierte Geist des Menschen eine bestimmte Entwicklungsstufe erreicht habe, die Teilhabe an den transzendenten Räumen (Vernunft, Weisheit) erlaube. Ich sehe hierin eine große Nähe zu religiösem Denken, das sich in Paradiesen, Nirvanen oder Erhebungen zu Gott-gleichen Fähigkeiten ausdrückt. Hier wird eine Grenze definiert, die nur von wenigen und unter ganz bestimmten Umständen überschritten werden kann. Ich denke mal, hier muss ich nicht weiter gehen, da weitere Ausführungen sich in Spekulationen derart verstricken würden, das eine nachvollziehbare Argumentation nicht mehr möglich wäre.

Eine für Europa neue, weil aus China zu uns vorgedrungene Möglichkeit, Freiheit zu denken, ist mit dem Wort Disponiblität oder zu deutsch Verfügbarkeit verbunden. Wir kennen das Wort eigentlich nur dadurch, das wir zur Abarbeitung einer Aufgabe die verfügbaren Mittel, die geeignet erscheinen, bestimmen. Das aber ist eine sehr begrenzte Auffassung von verfügbaren Mitteln und beschreitbarer Wege. So könnte die Bestimmung der Verfügbarkeit auch darin bestehen, Handlungsstränge zu erforschen. Es könnten die gewohnten Wege durch neue Ideen, neue Innovationen oder durch richtungsweisendes Umdenken ergänzt werden. Dazu wäre es aber notwendig, die Setzungen unserer Kultur, die allgegenwärtigen Selbstverständlichkeiten, die wir selten bis gar nicht hinterfragen, da wir sie als Realität mit Wahrheitswert betrachten, zunächst einmal aufzugeben und über den berühmt-berüchtigten Tellerrand hinaus zu schauen. Es würde dabei das Wort „Aufgabe“ in dem Sinne interpretieren, das dem sprachlich verwandten „aufgeben“ entspräche. Eine Aufgabe könnte gelöst (freigelassen) werden, in dem man aufgibt, ausschließlich alten Denk- und Handlungsmustern zu folgen, ohne diese allerdings zu verwerfen. Sie sind und bleiben neben ihren neuen Brüdern und Schwestern vollwertige Lösungen und werden wie andere Ideen, Möglichkeiten und Phantasien gleichwertig gesehen. Ein sehr begrenzter Versuch der Umsetzung dieser Verfügbarkeit bestand in der Modeerscheinung des Brainstorming, das spontan entstandene Lösungen, auch unrealistische, phantasievolle und visionäre, sammelte, um dann aus diesem Korb eine Auswahl zu treffen. Das Problem bestand darin, das irgendwer hier eine Wahl treffen musste. Das ist aber in einer freien Ordnung und dem Mittel der aus China importierten Disponiblität nicht notwendig und sogar verpönt. Es geht hier nämlich um das Erfassen der Welt durch Loslassen (der bewährten Mittel zur Problemlösung). Es geht nicht um die Wahl der richtigen Position, sondern um die Aufgabe jeglicher Position und dem zufolge um eine Haltung, die Widerspruch und Streit gar nicht mehr ermöglicht.



Zitat (Vom Sein zum Leben, Francois Jullien, Matthes und Seitz)

Der edle Mensch ist vollständig, das heißt, er verliert das Globale nicht aus den Augen, lässt nicht zu, dass das Feld allen Möglichen einseitig schrumpft. Er ist nicht dafür oder dagegen, sondern neigt zu dem, was die Situation erfordert. (Gesprächen, Konfuzius)

Und das Mögliche kann heute so und morgen ganz anders sein. Auch kann es hilfreich sein, der einen Gruppe mit dem Gesetz zu winken, während eine andere Gruppe schon einer Bitte problemlos folgen würde. Daher gibt und gab es in China so etwas wie eine Sitte, die zwar reguliert, aber niemals festschreibt. Das Gesetz, wie wir es kennen, kam erst mit den Europäern nach China. Und doch war und ist in China seit Jahrtausenden eine hochstehende Kultur zu verzeichnen. Sie beruht nicht auf Festschreibungen, sondern auf Neigungen.

Betrachten wir unsere deutsche Demokratie einmal unter dem Blickwinkel der Freiheit und was wir darüber bereits erarbeitet haben. Der Bürger als Souverän geht alle vier Jahre einmal in eine Kabine, um ein Kreuz zu zeichnen und auszuwählen von eine Liste, die mögliche Volksvertreter enthält, die Parteien zusammengestellt haben, die selbst schon eine eigene Hierarchie (Machtgefüge, Hackordnung) besitzen. Und dann formieren sich die gewählten Vertreter und regieren das Volk oder die Bevölkerung vier Jahre lang (…nur ihrem Gewissen [4. Das Gewissen wird im Allgemeinen als eine besondere Instanz im menschlichen Bewusstsein angesehen, die bestimmt, wie man urteilen soll und die anzeigt, ob eine Handlungsweise mit demjenigen übereinstimmt bzw. nicht übereinstimmt, was ein Mensch als für sich richtig und stimmig ansieht. Es drängt, aus ethischen, moralischen und intuitiven Gründen, bestimmte Handlungen auszuführen oder zu unterlassen. Entscheidungen können als unausweichlich empfunden oder mehr oder weniger bewusst – im Wissen um ihre Voraussetzungen und denkbaren Folgen – getroffen werden (Verantwortung). Das einzelne Gewissen wird meist als von Normen der Gesellschaft und auch von individuellen sittlichen Einstellungen der Person abhängig angesehen. Ohne eine ethische Orientierung bleibt das Gewissen „leer“; „ohne Verantwortung ist das Gewissen blind“… Wikipedia DE] folgend. Also ich frage mich oft, was daran eigentlich „souverän“ [5. Unter einem Souverän (von mittellateinisch superanus ‚darüber befindlich‘, ‚überlegen‘) versteht man den Inhaber der Staatsgewalt. In Demokratien hat regelmäßig das Staatsvolk diese verfassungsrechtliche und völkerrechtliche Funktion – in repräsentativen Systemen in der Regel indirekt –, in absoluten und konstitutionellen Monarchien das Staatsoberhaupt, zum Beispiel der König oder der Fürst. Wikipedia DE] ist, denn der Wirkungsgrad jedes Einzelnen oder auch großer Gruppen ist schlicht nicht vorhanden. Selbst große Demonstrationen können von den Volksvertretern als auch den Medien (die die Informationshoheit besitzen), einfach ignoriert werden. Da die Vertreter des Volkes Gesetze erlassen, nach denen sich jeder Bürger richten muss, ist Freiheit oder Souveränität nicht gegeben. Wir führen zum Beispiel zurzeit einen Krieg (Wirtschaftskrieg, Sanktionskrieg, Stellvertreterkrieg, Propagandakrieg), den das Gros der Bevölkerung weder versteht noch begrüßt. Obwohl diese Freiheit, von der dieser Artikel hier handelt, so nicht gegeben ist, nehmen wir doch diese Staatsform als das non plus ultra (nicht darüber hinaus) und leiten daraus Werte ab, die wir mit rabiaten Mitteln der ganzen Welt aufzwingen wollen. Ich finde allerdings, das unser Demokratie-Konzept durchaus reformier ist und in der Richtung einer gegebenen Volkssouveränität erweitert werden könnte. Aber hier beschreiten wir den politischen Diskurs, den ich jetzt und hier nicht anstrebe. Hier geht es um Freiheit.



Diskurs: Gibt es Kultur ohne Propaganda?
Es gibt ein wunderbar beschreibendes Buch über „Moderne Propaganda“ von Johannes Menath. Darin werden 80 Methoden der Meinungslenkung beschrieben, die heute wirkmächtig sind. Ich habe diese 80 Methoden relativ zügig durchgelesen und muss jetzt, im Blick auf den Inhalt, sagen, das alle diese Methoden nahezu alltäglich in Büchern, Schriften, Nachrichten, Reportagen, Comedy und anderen Veröffentlichungen auftauchen. Es erscheint mir sogar so, das es eigentlich nicht möglich ist, eine Kultur für ein Volk zu bilden, ohne Methoden der Propaganda zu nutzen. Immerzu werden in den Kulturen die Menschen eingeteilt in Zugehörigkeiten, Klassen, Gesinnungen, Genossenschaften und Anhängern. Das ist, um es kurz und bündig zu umschreiben, eine Einteilung in „Wir“ und „Die“, und das auf verschiedenen sich ergänzenden Ebenen. Eine Kultur oder Form, die unterschiedliche Formen des Lebens in einem Staat oder nur einer Region störungsfrei vereint, wird zunehmend seltener. Es gab sie ethnisch zum Beispiel in Jugoslawien oder auf Zypern, bis… ja bis sich machthungrige Führer der Unterschiede besannen und diese zu ihrem eigenen Vorteil auszunutzen begannen. Auch heute in Deutschland ist das wieder zu beobachten. Aber es sind nicht ethnische sondern Gesinnung-Zugehörigkeiten, die mehr und mehr die führende Rolle spielen. Es gibt die Zugewanderten mit anderen kulturellen Gepflogenheiten und die Einheimischen, es gibt die Rechten und die Linken, es gibt die Zustimmer und die Widerständler, es gibt die Meinungsführer und die Verschwörungstheoretiker, gibt die Nationalisten und die Globalisten, die Moralisten und die Toleranten, gibt die gelobten Führer und die bösen Regenten. Und das Mittel dieser Auftrennungen ist immer Propaganda, die sich in Einseitigkeiten, Halbwahrheiten, oft sogar Lügen und/oder vielfältigen Vergleichen nährt. Grundlage für Spaltungen der Gesellschaft, ganz gleich welche wir auch betrachten, sind immer verbunden mit ein- oder sogar beidseitiger Propaganda. Das belegen eindeutig die 80 Methoden, die in dem benannten Buch genannt werden. Propaganda ist also nicht nur hier und da, sondern allgemein verbreitet überall zu beobachten. Werbung ist doch auch schon Propaganda. Emotionen werden verknüpft mit Produkten, die ich verkaufen möchte. Politisch betrachtet werden regelmäßig Scheindebatten geführt, die so weit von der gegebenen Wirklichkeit entfernt sind, das jedes Wort darüber eine Verschwendung darstellt. Kennen Sie die Debatte, ob Deutschland sich im Krieg befindet, wie unsere Außenministerin das aussagt? Nun, nicht wir, nicht deutsche Völkerrechtler in Hörsälen, sondern Russland wird entscheiden, mit wem und wann es sich im Krieg befindet. Es hätte logisch betrachtet auch allen Grund dazu, denn das Außenministerium beschreibt und vertritt unsere Sicht nach Außen, und die Hilfeleistungen finanzieller und militärischer Art und deren Umfang zur Ukraine hin sprechen mehr als Bände. Aber das ist ja nur Tagespolitik und… ? Nein, das ist eine Bedrohung der Freiheit, unserer Freiheit und die der anderen Beteiligten.

Was ist also Freiheit und was ist es nicht? Für mich ist Freiheit so etwas, was man auch in den Begriffen des Schönen, des Guten und Wahren beschreibt, also ein Ideal, das unter menschlichen Gesichtspunkten heute und in absehbarer Zukunft nicht erreicht werden kann. Der Mensch lebt auf der Erde grundsätzlich in sehr unterschiedlichen Sozialisationsformen, genannt Kulturen, die Freiheit an sich nicht zulassen können, da diese sich, einmal etabliert, stets zu bekämpfen pflegen. Jede Kultur enthält Setzungen, die willkürlich genannt werden müssen und die nicht belegt werden können. Sie enthält und drückt sich aus in Gesetzen und/oder Sitten, die nicht frei genannt werden können. Selbst im alten China, das die europäische Setzungs- und Gesetzeswut nicht kannte, herrschte trotz allem die Sitte, die gleich dem Gesetz doch Zwang und Folgsamkeit erfordert. Nicht umsonst sind alle Heiligen und Weisen dieses asiatischen Volkes irgendwann untergetaucht oder zogen sich in die Berge, Klöster und Schulen zurück. Wir haben uns in Europa immer mehr angewöhnt, das in den Abstimmungen in den Parlamenten nahezu immer ein Mehrheitsbeschluss gefasst werden muss. Das ist dann im Grunde die Staatsform einer Ochlokratie, wobei hier die Parteien, also Vereine und deren Mitglieder sowie deren Anhänger, die sich weitestgehend und übergreifend einig sind, die „Pöbelherrschaft“ bilden. Die demokratische Kultur aber legte vor, das diese Form der Entscheidung nur in Zwangslagen eingesetzt werden sollte. Alltagstauglich sollte der Konsens als Entscheidungsform gewählt werden, wobei nicht wie zur Zeit die Regierenden unter sich zu einem Konsens finden sollten, sondern das ganze Volk in die Konsensfindung eingebunden sein müsste. Nur so lässt sich logischerweise die Volkssouveränität verwirklichen.

Was bleibt also übrig von der Frage nach der Definition von Freiheit an sich? Nicht viel, müsste ich schreiben. Aber dem ist nicht so. Mit jedem Wort dieses Artikel, mit jeder Recherche und jedem nachlesen wird mir als Schreiber mehr und mehr bewusst, was es mit dem Freiheitsgedanken auf sich hat. Es geht dabei nicht mehr um Feststellungen, sondern um Lösungen in Form von Auflösen der widerstrebenden und sich widersprechenden Anteile. Mir wurden/werden Setzungen bewusst, die ich bisher nicht kannte, entdecke neuen, vollkommen von meiner Weise zu Denken abweichende Möglichkeiten und bescheren mir einen Spiegel-gleichen Blick auf mein eigenes Denken. Das erlaubt Kritik am eigenen Selbst, am Ich-Sein und der direkt vor den Füßen auflebenden Umgebung. Es ist keine neue Dogmatik, keine neue Seinsweise, keine neue Weltsicht, kein Narrativ und auch keine Strategie, sondern einen Blick über alles Wahrnehmbare, zu dem ich Zugang habe, hinweg. Und das Bild, das erscheint ist mehr das eines Flusses und nicht dem einer Ansammlung von Dingen. Und vor dem Bild betrachtend stehend erkenne ich mehr und mehr meine Vernetztheit mit dem Ganzen. Mensch-sein heute ist wie seit alter Zeit bedingt und relativ. Wir alle sind, stehen und fallen mit dem Fluss des Ganzen, der weder gestaut noch angehalten werden kann. Frei zu sein bedeutet für mich zu erkennen, das es Freiheit an sich nicht gibt. Und so realisiere ich das Maß an Freiheit, das mir verfügbar ist. Es gilt der Grundsatz, der bekannt ist unter Niebuhrs Gebet, das ich meiner Anschauung gemäß etwas angepasst habe:

Ich pflege (Original: Gott, gib mir…) die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, (pflege) den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und (pflege) die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Dazu bedarf es den Mut, Verfahren, Tatsachen, Verhaltensweisen und Gewohnheiten zu hinterfragen. Es bedarf der Gelassenheit, das für dem Moment zu akzeptieren, was unveränderlich erscheint, ohne es für immer festzuschreiben. Und die Weisheit besagt, das es keine ewig festgelegte Position geben kann. Bereits morgen kann sich alles geändert haben, was heute klar und deutlich vor mir liegt. In dieser Offenheit zeigt sich, was die Situation jetzt und hier erfordert, weil kein Gestell (Heidegger: entspricht der Vorstellung) die Wirklichkeit verdeckt. Der zu beschreitende Weg liegt stets direkt vor den Füßen. Er wird meist nur nicht wahrgenommen, weil er zu offensichtlich ist und wir uns in unzähligen Vorstellungen des Verstandes und seiner Kultur verfangen haben.